Home-Office – Erkenntnisse der Corona-Krise fürs Zuhause-Arbeiten
Als die Covid-19-Pandemie Büros rund um den Globus zum Schließen zwang, erhielten Angestellte überall einen Crashkurs über die Vorteile und Nachteile der Heimarbeit. Die Debatte darüber, ob Angestellte am Küchentisch genauso gute Leistungen erbringen wie am Arbeitsplatz, tobt, seit die Technik einen solchen Wechsel erst möglich gemacht hat. Die monatelangen Sperrungen dienten als erhellendes, wenn auch ungeplantes Experiment. Eines, das mit Sicherheit dazu führen wird, dass das Arbeiten von zuhause für die meisten Büroangestellten zu einem größeren Teil ihres Lebens wird, und für viele sogar zur täglichen Norm.
Wie haben sich die Arbeitnehmer angepasst?
Der Anteil der Büroangestellten, die von zu Hause aus arbeiten, verdoppelte sich in den USA laut einer Studie innerhalb weniger Wochen auf 62%. Da die Schulen geschlossen waren, hatten die Eltern überdies Mühe, die eigene Arbeit mit dem Fernunterricht des Nachwuchses zu verbinden. Die Arbeitnehmer setzten Videokonferenzen und Kollaborationstools wie Slack, Zoom, Monday oder Office-Dienste ein. Diese Neuerung ließ bei einigen aber recht schnell nach, da längere Arbeitstage zur Norm wurden. Eine weitere Studie aus den USA gibt Aufschluss darüber, dass zum Anfang der Maßnahmen die Arbeitstage durchschnittlich 3 Stunden länger wurden. Aber die Flexibilität dabei gefiel vielen.
Bleibt die Arbeit von zu Hause aus attraktiv?
Es sieht so aus, zumindest für einige Berufe. Bekannte Unternehmen wie Twitter, Facebook und die Schweizer Bank UBS gaben an, dass der Wechsel für ein Drittel oder mehr ihrer Mitarbeiter dauerhaft werden könnte. Umfragen ergaben, dass die Mehrheit der Menschen nicht zur alten Routine zurückkehren wollte, selbst wenn es sicher ist, dies zu tun. Nur ein Drittel der Büroangestellten in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden wollen wieder Vollzeit an den Schreibtisch zurückkehren. Dies ergab eine Umfrage unter 6.000 Personen, die im Mai durchgeführt wurde. Der Lockdown gab den Menschen die Chance, ihre Work-Life-Balance neu zu überdenken. Viele waren überrascht, als sie feststellten, dass das Weglassen des Pendelns die Produktivität steigerte, Stress senkte und einen gesünderen Lebensstil förderte.
Work From Home – Kann es so weitergehen?
Beispielsweise in den USA können 40% der Jobs vollständig von zuhause aus erledigt werden, so eine im April veröffentlichte Analyse des National Bureau of Economic Research. Und das gilt sogar für den Bildungssektor, der sonst beim „Work From Home“ (WFH) ausgeklammert wurde. WFH ist aber freilich nichts für Branchen wie dem Baugewerbe, der Landwirtschaft, Dienstleistungen vor Ort, dem Gaststättengewerbe und dem Einzelhandel. Die Ungleichheit spielte auch auf internationaler Ebene eine Rolle: Forscher stellten fest, dass im Vereinigten Königreich und in Schweden mehr als 40% der Arbeitnehmer ihre Arbeit von zu Hause aus erledigen konnten, in Mexiko und der Türkei dagegen weniger als ein Viertel.
Wie sieht es in den regulierten Märkten, bspw. Finanzen, aus?
Anfängliche Befürchtungen, dass Heimcomputer Schwierigkeiten haben würden, mit der Software und den Daten umzugehen, die zur Durchführung des Wertpapierhandels benötigt werden, erwiesen sich als übertrieben. Der große Test kam im März, als die Märkte einbrachen und der Handel sprunghaft anstieg. Zwar kann nichts mit dem Brummen eines lauten Handelsparketts mithalten, aber die Banken waren immer noch in der Lage, Transaktionen in Milliardenhöhe zu generieren. Bei der Goldman Sachs Group Inc. arbeiteten 98% der Mitarbeiter aus der Ferne, während JPMorgan Chase & Co. ihre Zahl auf 70% bezifferte. Die Compliance-Abteilungen hatten einige Schwierigkeiten, Anrufe und den Computerverkehr auf potenzielles Fehlverhalten zu überwachen, und die Unternehmen versuchten, genügend Händler vor Ort zu halten, um sicherzustellen, dass der Betrieb ordnungsgemäß funktionierte.
Sind Fernarbeiter denn überhaupt produktiv?
Studien aus der Zeit vor der Pandemie hatten bereits ergeben, dass sie genauso effizient sind wie die Mitarbeiter in den Büros – vielleicht sogar noch effizienter, da einige sich früher anmelden und später bleiben. Berichte über Produktivitätssteigerungen während des Lockdowns waren häufig. Eine Studie des Software-Herstellers Prodoscore Inc. ergab einen Zuwachs von 47% gegenüber dem Vorjahr, da die Mitarbeiter mehr Anrufe tätigen, mehr Chats initiieren und mehr E-Mails verschicken. Allerdings forderte das seinen Preis: Eine Umfrage ergab, dass 45 % der Arbeitnehmer angaben, sie seien ausgebrannt durch die erhöhte Arbeitsbelastung, das Jonglieren zwischen Privat- und Berufsleben und die mangelnde Unterstützung durch ihren Arbeitgeber.
Wird sich die Arbeitswelt nachhaltig verändern?
Den Bann des Büros zu brechen bedeutet, dass die Arbeitnehmer sich dafür entscheiden können, in kostengünstigere Gebiete umzuziehen. Facebook sagte, dass es die Verlagerung zum Teil begrüßt, weil sie den Talentpool für potenzielle Neueinstellungen erweitern wird. Unternehmen können überdies übergroße Immobilien aufgeben; JPMorgan, Barclays und Morgan Stanley gaben alle an, dass sie möglicherweise Büroflächen reduzieren und die Mitarbeiter dazu auffordern könnten, häufiger von zuhause zu arbeiten. Einige Führungskräfte befürchten, dass ein breiter Umstieg auf Remote-Arbeit Gefahr läuft, etwas von der Kameradschaft, Zusammenarbeit und Kreativität zu verlieren, die in persönlichen Begegnungen gefördert werden. Ein möglicher Kompromiss: die Aufteilung der Arbeitswoche zwischen Wohnung und Büro.
Fazit zur Heimarbeit während und nach der Pandemie
Die Coronavirus-Pandemie und die damit einhergehende Krise für Wirtschaft und Gesellschaft auf globaler Basis haben uns gezeigt, dass ein Umdenken in vielen Bereichen möglich ist. Vor allem Büroarbeiter können nun viel besser dafür argumentieren, aus den eigenen vier Wänden heraus zu arbeiten. Menschen, die sich dies zuvor gar nicht vorstellen konnten, sind teilweise genauso überzeugt vom Home-Office wie jene, die schon länger mit der Idee gespielt haben. Nach der Pandemie wird es in vielen Unternehmen sicher neue Regelungen und Möglichkeiten geben.